"Ich mach mich jetzt auf den Weg, sagte Lulu, die Katze vom Scheunenhaus. "Onkel Gipsi wird sich riesig freuen, mich mal wieder zu sehen". "Viele Grüsse" , riefen ihm alle hinterher. Und pass auf Dich auf, Du weisst, dass in diesem Dorf nicht alles mit rechten Dingen zugeht". "Ich pass schon auf", sagte Lulu und ging davon. Die Tiere mochten das Dorf nicht, man hörte von seltsamen Dingen, die da vorgingen. Erst letzte Woche war ein kleiner Fuchs verschwunden, der dem Dorf zu nahe kam. Seine Mutter war schon ein paarmal am Scheunenhaus und im Wald um nach ihm zu suchen. Tobis kleiner Cousin Winnie war auch verschwunden, seit dem Fest am Hasenhaus. Gipsi blieb eigentlich nur im Dorf wegen dem alten Tom. Tom hatte ihn als kleines Katzenkind gefunden und ihn grossgezogen. Sie hatten ein wunderschönes Leben, bis Toms Tochter Lotte zu ihm zog. Sie mochte keine Tiere und schon gar keine Katzen. Sie war auch nicht besonders gut zu Tom.

Frau Eule war ins Dorf geflogen, um Gipsi Bescheid zu sagen, dass Lulu ihn besuchen wollte. Der freute sich riesig. Er und Tom beschlossen, Lulu bei Lisa, dem Pferd im Stall unterzubringen. Es war zwar ein grosser Keller im Haus und normalerweise wäre es kein Problem, dort ein gemütliches Plätzchen einzurichten, aber niemand konnte den Keller betreten. Lotte schloss die Tür ab und hatte auch den Schlüssel immer bei sich. Tom und Gipsi hatten sich schon öfter gewundert, warum Lotte so ein Geheimnis um den Keller machte. "Ich werde Lulu entgegengehen", sagte Gipsi, "damit Lotte sie nicht sieht. Gipsi wartete am Rand des Dorfes und nach einer Weile sah er Lulu über einen kleinen Hügel kommen. Wie schön, dass ich sie mal wieder sehe, dachte er. Sie könnte mich ja viel öfter besuchen, wenn nur Lotte nicht wäre. Er ging Lulu entgegen und sie begrüssten sich lange und die Freude war sehr gross. "Wie geht es Dir denn so, Onkel Gipsi?", fragte Lulu. "Ach weisst du", sagte der, "es ist alles nicht so einfach. Aber am meisten tut mir Tom leid. Er kann sich einfach nicht wehren gegen seine böse Tochter. Am schönsten ist es am Abend, wenn ich mit Tom alleine in seinem Zimmer bin. Ich werde Dich bei Lisa im Stall unterbringen. Du kennst sie ja noch von früher. Wir werden viele Ausflüge machen und nachts, wenn Lotte schläft, kannst Du zu Tom und mir ins Zimmer kommen". "Das ist schon in Ordnung, Onkel Gipsi, hauptsache, ich sehe Dich und Tom mal wieder". Die nächsten Tage brachten sie damit zu, Rosi, die Taube und all die anderen Freunde zu besuchen. Sie freuten sich alle riesig, denn sie hatten Lulu nicht mehr gesehen, seit sie als Katzenkind das Dorf verlassen musste. Ausser dem alten Tom wollte damals keiner eine kleine Katze und warscheinlich hätte Lulu ein schlimmes Ende gefunden, wenn Tom sie nicht zum Scheunenhaus gebracht hätte.

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"Ich geh jetzt zum Einkaufen und wenn ich nach Hause komme, dann hast Du gefälligst das Haus saubergemacht und im Garten das Laub zusammengekehrt", sagte Lotte zu Tom. Der nickte resigniert mit dem Kopf. Er war alt, er konnte nicht mehr so gut laufen und bücken konnte er sich auch nicht mehr richtig. Ich sollte wohl froh sein, dass überhaupt jemand da ist, dachte er. Im Dorf gab es kaum jemanden, der bereit war, einem anderen zu helfen. Gottseidank habe ich Gipsi, dachte Tom. "Ja geh nur", sagte er zu Lotte. Insgeheim dachte er, dann kann ich mich wenigstens ein bisschen um Lulu kümmern. Er hätte das kleine Katzenkind damals so gerne behalten, aber er hatte Angst, dass es irgendwann plötzlich verschwindet, wie so manch anderer. Als Lotte gegangen war, räumte er, so gut es eben ging auf. Im Prinzip war es ja egal, was er machte, denn Lotte hatte immer etwas zu meckern. "Ich werde etwas Brennholz holen gehen", sagte Tom. "Ich komme mit Dir", antwortete Gipsi. Er liess Tom nicht gerne alleine gehen, so schlecht wie der laufen konnte. "Bleib Du hier im Haus", sagten sie zu Lulu. "Lotte wird so schnell nicht wieder hier sein. Bis in die Stadt ist es Gott sei Dank ein weiter Weg und so ist sie wenigstens zum Einkaufen eine ganze Weile weg".

Unterwegs hielt Lotte plötzlich das Auto an. "Herrrjeh", schimpfte sie, "ich hab den Einkaufszettel vergessen". Sie fuhr nur einmal im Monat in die Stadt zum einkaufen und so hatte sie immer einen riesengrossen Einkaufszettel. Sie sass nun im Auto und überlegte und überlegte, was sie alles aufgeschrieben hatte. "Es hilft nichts", sagte sie dann, "ich muss diesen dummen Zettel holen, sonst werde ich die Hälfte vergessen". Sie drehte um und fuhr zurück. Währenddessen streifte Lulu durch das Haus und schaute sich alles an. Sie fühlte sich ja vollkommen sicher. Nach einer Weile legte sie sich in einer Ecke in der Küche in die Sonne, die durch das Fenster fiel und schlief ein. Sie wachte auf und war zu Tode erschrocken. Jemand hatte sie im Genick gepackt. Sie schaute in das Gesicht von Lotte. Sie konnte sich noch gut an sie erinnern. "Sieh an, sieh an", sagte Lotte, "Du lebst ja noch. Hat der alte Zausel mich also belogen". Sie drehte Lulu hin und her und sagte: "Naja, schlecht siehst Du ja nicht aus, vielleicht bezahlt jemand etwas für Dich". Sie brachte Lulu in den Keller und sperrte sie in einen kleinen Verschlag. "Sollte ich auch nur einen einzigen Ton hören, geht es Dir schlecht", sagte sie. Dann schon sie ein grosses Regal davor.